15. Oktober 2015
Geschrieben von White & Case LLP

STUDIE: INTERNATIONALE SCHIEDSGERICHTSBARKEIT IST VORHERRSCHENDE FORM DER INTERNATIONALEN PRIVATEN STREITSCHLICHTUNG


• Internationale Schiedsgerichte mit großem Abstand präferierte Form der internationalen privaten Streitschlichtung 
• London und Paris sind weltweit die wichtigsten internationalen Schiedsgerichtsorte, jedoch holen Hongkong und Singapur auf 
• Eine stärkere Mikroregulierung wird hinsichtlich der Finanzierung durch Dritte, der Rolle von Assistenten von Schiedsgerichten und zum Verhaltenskodex für Schiedsrichter gefordert
• Vereinfachung der Verfahren gewünscht

Frankfurt, 15. Oktober 2015 – Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, früher lediglich zweite Wahl bei der privaten Streitbeilegung, ist inzwischen eindeutig die bevorzugte Form für die Beilegung grenzüberschreitender Streitfälle. Dies ist eines der Ergebnisse einer Umfrage der internationalen Anwaltskanzlei White & Case LLP und der Queen Mary University of London (QMUL) unter 763 Teilnehmern dieser Verfahren wie z.B. Gutachter, Syndizi oder Regierungsvertreter. Demnach gaben 90 Prozent an, grenzüberschreitende Streitigkeiten im Wege der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu lösen. Im Jahr 2006 waren es demgegenüber nur 73 Prozent. Für die wachsende Beliebtheit internationaler Schiedsgerichtsbarkeit gibt es mehrere Gründe: z.B. eine verbesserte Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen, die Möglichkeit, bestimmte Rechtssysteme zu vermeiden, jedoch Schiedsrichter zu wählen, sowie die dem Verfahren inhärente Flexibilität.

Bevorzugte Schiedsgerichtsorte

London und Paris sind immer noch die beiden bevorzugten Schiedsgerichtsorte für internationale Schiedsgerichtsbarkeit. 45 Prozent bzw. 37 Prozent der Befragten gaben an, hier in den letzten fünf Jahren ein Schiedsverfahren durchgeführt zu haben. Auch in der Gesamtwertung kamen diese beiden Städte mit 47 Prozent bzw. 38 Prozent auf die ersten beiden Plätze. Doch laut der Studie holen Hongkong und Singapur auf und liegen bereits an dritter und vierter Stelle. Als Sitz eines Schiedsgerichts hat sich Singapur in den letzten fünf Jahren am meisten verbessert, dicht gefolgt von Hongkong.

Markus Burianski, Partner und Mitglied der Praxisgruppe International Arbitration bei White & Case, sagt: „London und Paris sind immer noch erste Wahl als Schiedsort für internationale Schiedsverfahren. Das liegt vor allem an ihrem Ruf als schiedsfreundliche Rechtsordnungen mit einer hervorragenden juristischen Infrastruktur. Doch wie die diesjährige Studie zeigt, holen Singapur und Hongkong auf. Diese beiden Schiedsorte haben in den letzten Jahren erheblich in den Ausbau der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit investiert und damit spürbar an Attraktivität gewonnen.“

Bevorzugte Schiedsinstitutionen

Auf die Frage nach den drei bevorzugten Schiedsinstitutionen gaben etwas mehr als zwei Drittel (68 Prozent) die Internationale Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris an. 37 Prozent der Befragten nannten den London Court of International Arbitration (LCIA) und spiegelten damit die Ergebnisse des International Arbitration Survey von 2010 wider. Das Hong Kong International Arbitration Centre (HKIAC) und das Singapore International Arbitration Centre (SIAC) rangierten auf dem dritten und vierten Platz (28 Prozent bzw. 21 Prozent). Die Umfrage ergab, dass Institutionen in erster Linie wegen ihrer guten administrativen Infrastruktur, Neutralität bzw. internationalen Ausrichtung sowie ihrer Fähigkeit, Schiedsverfahren überall in der Welt zu verwalten, gewählt werden.

Bedarf an stärkerer Regulierung

Ein heiß diskutiertes Thema bei Teilnehmern internationaler Schiedsgerichtsbarkeit ist die Frage, inwiefern hier Bedarf an stärkerer Regulierung besteht. Während 70 Prozent der Befragten den gegenwärtigen Grad der Regulierung bei der internationalen Gerichtsbarkeit generell für ausreichend halten, ist eine deutliche Mehrheit der Auffassung, dass mit Blick auf Prozessfinanzierung (71 Prozent), die Rolle von Assistenten von Schiedsgerichten (68 Prozent) und den Verhaltenskodex für Schiedsrichter (55 Prozent) eine stärkere Mikroregulierung erforderlich sei.

Nach Auffassung der Befragten sind klare Richtlinien die effektivste Methode, um die Prozessfinanzierung zu regulieren. Beispielhaft wurden die Richtlinien der International Bar Association genannt. Die Mehrheit der Befragten war zudem der Meinung, dass Schiedskläger zur Angabe, ob sie Mittel von Finanzierern empfangen, verpflichtet sein sollten (76 Prozent). Auch die Identität des Finanzierers solle offengelegt werden (63 Prozent). Doch nur 27 Prozent gaben an, dass die gesamten Bedingungen des Finanzierungsarrangements offengelegt werden sollten.

Auch zur Rolle und den Kompetenzen von Assistenten von Schiedsgerichten äußerten sich die Teilnehmer kritisch: Die überwältigende Mehrheit gab an, es vorzuziehen, wenn die Assistenten nur Aufgaben erfüllen, die weder von materieller Bedeutung sind, noch entscheidungserhebliche Punkte betreffen. 70 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass Schiedsinstitutionen die effektivste Methode seien, um Aufgaben und Kompetenzen von Assistenten zu regeln.

Professor Loukas Mistelis, Direktor der School of International Arbitration an der QMUL, erklärt dazu: „Schiedsverfahren sind zwar die bevorzugte Methode der Streitbeilegung. Unsere diesjährige Umfrage hat indes gezeigt, dass internationale Schiedsspezialisten für die verschiedenen Parteien, die am Schiedsverfahren teilnehmen, überwiegend eine stärkere Mikroregulierung fordern. Die Umfrage zeigt auch, dass die Befragten die in den letzten Jahren eingeführten Schiedsgesetze und -regeln begrüßen und eine weitere Makroregulierung daher als nicht erforderlich erachten.“

Raum für Verbesserungen?

Um den mit internationaler Schiedsgerichtsbarkeit verbundenen Zeit- und Kostenaufwand zu verringern, würden 92 Prozent der Befragten es begrüßen, wenn für Klagen unter einem bestimmten Streitwert vereinfachte Verfahren eingeführt würden. Insbesondere wurde der Wunsch geäußert, dass Schiedsgerichte sich bei ihren Beratungen und im Hinblick auf das Ergehen des endgültigen Schiedsentscheids an einen bestimmten Zeitplan halten und die Parteien entsprechend informieren.

Erwähnt wurde auch das Phänomen der „Verfahrensfairness-Paranoia“ als mögliche Ursache für zusätzliche Kosten und Verzögerungen. Zahlreiche Teilnehmer vertraten die Ansicht, dass das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung des Schiedsspruchs übermäßige Vorsicht aufseiten der Schiedsrichter nicht rechtfertige. Die Befragten waren daher der Auffassung, dass Schiedsrichter mehr Bereitschaft zeigen sollten, das Verfahren mit aller Entschiedenheit zu leiten.

Etwa 93 Prozent der Befragten sprachen sich für den Einbezug von Regelungen für Eilschiedsrichter in die jeweiligen Schiedsordnungen aus, obwohl fast die Hälfte (46 Prozent) im Notfall lieber die heimischen Gerichte als ein Schiedsgericht anrufen würden. Nur 29 Prozent würden einen Eilschiedsrichter vorziehen. Im Ergebnis bevorzugen Nutzer, eine Vielfalt von Optionen zu haben, unabhängig davon, wie häufig sie davon Gebrauch machen.


Über die Umfrage 
Die Umfrage für diese Untersuchung wurde von Februar bis Juli 2015 von der School of International Arbitration, Queen Mary University of London, durchgeführt. Die von Professor Loukas Mistelis und Rutger Metsch geleitete Untersuchung fand in zwei Phasen statt: eine erste quantitative und eine zweite qualitative Phase. Während der ersten Phase füllten 763 Teilnehmer im Zeitraum März bis Juni 2015 einen Fragebogen mit 80 Fragen aus. Zu den Teilnehmern zählten Akademiker, Schiedsinstitutionen, Schiedsrichter, Gutachter, Syndizi, Rechtsanwälte, Richter, Prozessfinanzierer, Mediatoren und Regierungsvertreter. In Phase zwei fanden von April bis Juli 2015 105 persönliche telefonische Befragungen statt, die in ihrer Dauer von 15 Minuten bis zwei Stunden rangierten. Die Befragten stammten aus einer breit gefächerten Gruppe und wurden anhand von Dienstalter, Geschlecht und Erfahrungen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ausgewählt.

 

 

Über White & Case
White & Case LLP ist eine der führenden internationalen Anwaltssozietäten und in den entscheidenden wirtschaftlichen Zentren der Welt an 39 Standorten in 26 Ländern präsent. In Deutschland sind mehr als 200 Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und München für White & Case tätig (http://www.whitecase.de).

 

Über Queen Mary University of London
Die Queen Mary University of London (QMUL) ist eine der führenden Universitäten in Großbritannien und mit über 20.000 Studenten aus über 150 Ländern eine der größten Institutionen innerhalb der University of London. Als Mitglied der Russell Group bietet die QMUL Studiengänge in den Bereichen Human- und Sozialwissenschaften, Medizin und Zahnmedizin sowie Wissenschaft und Technik an. Dabei profitieren die Lehrmethoden direkt von der an der Universität selbst durchgeführten Forschung. Bei der jüngsten landesweiten Beurteilung der Forschungsqualität rangierte die QMUL auf Platz 9 in Großbritannien. Die School of International Arbitration an der QMUL gilt weltweit als eine der führenden Postgraduierten-Studieneinrichtungen und Forschungsstätten für internationales Schiedsrecht.


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